Jürgen Becker war 1996 Stipendiat in Wiepersdorf
Jürgen Becker – ein Nachruf

Wie sein Verlag Suhrkamp mitteilte, ist der Schriftsteller Jürgen Becker am 7. November im Alter von zweiundneunzig Jahren in Köln gestorben. Becker ist berühmt für seine Lyrik und seine Prosa und erarbeitete außerdem für den Deutschlandfunk zahlreiche Hörspiele. 2014 wurde er als „maßgebliche Stimme der zeitgenössischen Poesie“ mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt. Mit Wiepersdorf verbinden ihn sein erster Roman und seine Beschäftigung mit der deutsch-deutschen Geschichte in den 1990er Jahren sowie zahlreiche Besuche. Jürgen Becker, 1932 in Köln geboren, hatte von 1939 bis 1947 in Erfurt gelebt und konnte nach Wende und Wiedervereinigung die Wiederentdeckung der Orte und Landschaften im Osten aufnehmen. Für ihn ging es dabei auch um das „Wiederfinden einer Zeit, die seit der Kindheit verloren schien“ (Wiepersdorfer Gästebuch).
Jürgen Becker hielt sich im Jahr 1996 für zwei Monate als Stipendiat im Schloss auf, und er blieb dem Ort seit dieser Zeit eng verbunden. Er arbeitete hier an einer kurz zuvor begonnenen Prosa weiter und kam, wie er vermerkte, ein entscheidendes Stück weiter. Dieser in Arbeit befindliche Text wurde sein 1999 erscheinender und von seinem Aufenthalt geprägter Roman „Aus der Geschichte der Trennungen“:
„Wir saßen, während zwischen den fernen Parkbäumen das Rot der untergehenden Sonne verlief, unter einer riesigen Kastanie vor der alten Dorfschmiede. Jörn stocherte mit einem abgebrannten Streichholz in den Ritzen der Tischbalken herum. Für ein paar Sommerwochen hielt sich Jörn in der Gegend auf – im Niederen Fläming, hatte er am Telefon geraunzt …“
Während des Stipendiums war er bisweilen in der Dorfkneipe mit den Menschen ins Gespräch gekommen. In das Exemplar des Romans, das er der Wiepersdorfer Bibliothek überließ, schrieb Becker handschriftlich hinein: „Wo es anfängt und aufhört, in Wiepersdorf.“ Er kam fortan gerne und regelmäßig wieder, auch beim Treffen der ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten im Jahr 2010 war er dabei.
Wir trauern um einen herausragenden Schriftsteller und liebenswerten, herzlichen Menschen, der einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ein Stück Wiepersdorf in seine literarischen Werke mitgenommen hat.